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Lappland - Safari-Kult am Polarkreis

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Eine Multimedia-Geschichte von Stefan Weißenborn
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Die Tage sind zum Frühjahr noch kurz am Polarkreis. Die Zeit, in der es mehr oder minder hell ist, will genutzt werden. Noch im Februar zeigt sich die Sonne nur 6,5 Stunden über dem Horizont (Mitte April sind es dann schon 10,5 Stunden). Und so kommt es nicht selten vor, dass man bei Lichtverhältnissen wie diesen unterwegs ist – wenn der Himmel nicht bleiern bewölkt ist.

Auf dem Weg zu meiner ersten Safari passiere ich den Polarkreis zum ersten Mal und bin nur 20 Minuten nördlich von Lapplands Hauptstadt Rovaniemi in der Einsamkeit angekommen.    
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Im Sommer ist hier, zwischen den Bäumen  matschiger Sumpf. Wenn Guide Juho Uurtamo dann durch den Wald am See Olkka streift, sieht er aus wie ein Imker, denn er hat ein Moskitonetz um den Kopf.

Doch die Brut der kleinen Blutsauger ist noch nicht wieder aufgegangen, dafür aber das Wasser von einer fast ein Meter dicken Eisschicht bedeckt. »Hier könnten Lkw drauf fahren«, sagt Juho.

Wir aber sind lediglich mit ...
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... Mini-Angeln, Köder und Klapphockern unterwegs. Nur 50 Meter vom Ufer entfernt zieht es wie Hechtsuppe. Ich setze die Fellmütze mit Ohrenklappen auf, die mir Juho in die Hand drückt. Juho hat auch einen Eisbohrer dabei, mit dem er die kalte Schicht in Windeseile durchschraubt. Ein paar Drehbewegungen, und braunes Wasser schwappt über den Schnee.

Man könnte hier jetzt stundenlang sitzen wie die Einheimischen, die das Eisfischen lieben. Ich aber begnüge mich mit einer halben Stunde, in der kein Barsch anbeißt, den die Finnen Ahven und ihren Lieblings-Süßwasserfisch nennen. Auch kein Hauki, der im unwahrscheinlichen Ernstfall sicher gleich meine Angel zerlegt hätte, beißt an. Hauki heißt Hecht.

Der geplante Grillfisch muss ausfallen. Dafür gibts später ...  


  

  
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... in der zeltartigen Holzhütte mit Feuerstelle und Abzug in der Mitte eingeschweißte Würstchen aus dem Kühlregal. Aber auch das ist eine Erfahrung wert, denn Instant-Würstchen genießen bei den Finnen einen hohen Stellenwert – zum Beispiel als Snack zwischen den Saunagängen.

Und was lieben die Finnen noch?
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Motorschlitten. Der praktische Nutzen steht im Vordergrund, wenn es über gefrorene Seen und Flüsse geht. Für Touristen halten die bis zu 160 km/h schnellen Vehikel eine authentische Erfahrung bereit. Auch die kleinen Gäste dürfen schon aufsatteln - auf gedrosselten Minimobilen wie hier im Arctic Showmobile Park am Polarkreis.

Im Prinzip nur noch für zahlende Gäste, die in großer Zahl auch aus China und anderen asiatischen Ländern nach Finnland kommen, zieht ein anderes ... 
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... Fortbewegungsmittel seine Bahnen: der Rentierschlitten. Das gute Vieh, ja.
Es spielt eine große Rolle in der Fleischproduktion im Land. Bei 200.000 Tieren liegt die staatlich verordnete Höchstzahl.
Die Reproduktionsrate ist so hoch, dass jährlich 100.000 Rentiere geschlachtet werden.
Dass Rentiere heute noch Schlitten durch die verschneite Landschaft ziehen, ist ein Relikt, das für Touristen aufrecht erhalten wird.


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Wem es genügt, einmal hinter einem der nordischen Hirsche, die als Nutzvieh halbwild in der Tundra leben, durch die romantische Winterlandschaft zu gleiten, kann eine Safari buchen, bei der als effektive Zeit im Schlitten oft aber nur rund zehn Minuten bleiben. Anbieter gibt es in Rovaniemi viele. Überhaupt ist die Zahl der Tourenanbieter sehr groß.

Rovaniemi hat mit 60.000 Bürgern für den kaum besiedelten hohen finnischen Norden sehr viele Einwohner. Die Tourismusbehörde zählt mittlerweile über 500 000 Übernachtungen im Jahr und freut sich über wachsende Beliebtheit. Wer in Rovaniemi, dem »Tor zum Norden«, eine gewisse Verschlafenheit oder gar Hinterwäldlertum vermutet, hat sich geschnitten.  

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Allein an die 40 Anbieter so genannter »Safaris« buhlen mit ähnlichen Angeboten um die Gäste. Es ist eine kleine Industrie.

Wie hier bei Lapland Safaris, dem ältesten Tour-Operator der Stadt, verläuft die Vorbereitung auf einen Trip in geordneten Bahnen. Es gibt vier hintereinander geschaltete Umkleidebereiche, durch die die Gäste geschleust werden. Erst die persönliche (womöglich für die arktischen Verhältnisse ungeeignete) Oberbekleidung ablegen, dann Thermostiefel gereicht bekommen, einen Raum weiter noch den mit Firmenlogo bedruckten Thermoanzug und zuletzt Beiwerk wie einen Helm und Handschuhe anpassen.

Aurora Borealis, das sind zwei Worte, die wie Magie auf viele Touristen wirken. Selbst für einen der an festen Tagen in der Woche anberaumten Nordlicht-Ausflüge ...
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... musste ich einen Helm anziehen. Da sich das Wetterphänomen nicht auf Knopfdruck abrufen lässt, pimpen die Veranstalter ihre Safaris mit Motorschlitteneinheiten – deswegen der Kopfschutz.

Zunächst aber steige ich in einen Reisebus. Der fährt zehn Minuten, bis er am Aurora Borealis Camp des Veranstalters anhält, wo Fackeln am Wegesrand die letzten Meter bis zu einem Lagerfeuer und einem Iglu weisen, in dem die Gruppe qua Beamer einen Nordlichter-Film farbenfroh an die eisige Wand geworfen bekommt. Für den eher wahrscheinlichen Fall, dass sich sich das Nordlicht nicht zeigt.

Doch dann ...
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... ruft ein Guide von draußen: »There is some Aurora«. Hinter einem Birkenwäldchen am Ufer des Ounasjoki sind am Himmel zunächst nur zwei parallele grüne Streifen zu sehen. Der Guide weiß erst nicht, ob es sich nicht doch eher um ein Lichtspektakel einer Dorfdisko handelt – dann aber ist der Fall klar.

Der Magier ist am Werk. Helm auf, und ab mit dem Motorschlitten auf den Fluss. Die Show beginnt mit einem grünlichen Wirbel, der sich bald über den Köpfen von Horizont zu Horizont zieht. Die chinesischen Touristen posieren für Selfies, einer steckt sich dazu eine Taschenlampe in den Mund und wirft den Kopf in den Nacken.

Das Gebilde aus Sonnenpartikeln sieht jetzt wie ein halb verrührter Teig aus grüner Masse aus, teils verläuft die Farbe ins Violett. Unter den Himmelsbeobachtern bricht Jubel aus.

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»Das hier kann ich sogar mit meiner Handy-Kamera fotografieren«, sagt der Guide. So hell ist die Erscheinung. »Wir sind heute an genau den richtigen Koordinaten.« 

Auch als das Spektakel abklingt, ist der Himmel immer noch wunderschön. Im Westen glimmt orangefarben sogar noch etwas Restlicht der vor Stunden in aller Gemächlichkeit untergegangenen Sonne über dem Horizont, der Sternenhimmel ist vom Feinsten. 

Aurora Borealis ist für Weitreisende ein Grund nach Lappland zu kommen, ein anderer jene...
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... laut Reiseprogramm freundlich bellenden Hunde, die sich bei meiner Ankunft fast von den Ketten reißen, so krass ist ihr mit fallenden Temperaturen immer krasser werdende Bewegungsdrang. Was man wissen muss: Die Huskies dienten traditionell nie der Fortbewegung in Finnland. Die anwesenden Kläffer bzw. ihre Vorfahren sind Importware aus Alaska. 

Auch Wilky Ching aus Hong-Kong hat das Gebell bis in seine immerwarme Heimat vernommen. Der Unternehmer aus dem Stadtstaat ist voller Erwartung, mit dem Hundeschlitten eine Lifetime-Experience zu machen, wie er sagt, und ist auch später nicht enttäuscht – obwohl diese Erfahrung nur gute zehn Minuten andauert.
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Noch spezieller ist das so genannte Icefloating, für das Überlebensanzüge notwendig werden. Auch ich zwänge mich in ein solches Neoprenprodukt, das auch Spezialeinheiten des Militärs nutzen, wie Guide Martin Stefanov vom Safari-Veranstalter Safartica versichert: »Der Anzug ist sehr sicher«, sagt er.

Mit einer neuen Gruppe Touristen steige ich in einen schwarzen Van, den Martin eine Stunde lang ins schwarze Nichts pilotiert, bis eine Blockhütte im Scheinwerferkegel aufleuchtet.

Drinnen bullert ein Ofen, der die vielen Gummianzüge trocknet, die dort aufgehängt sind. Ich ziehe mich um, auch Julia Day aus Perth in Westaustralien, gerade auf Europareise, friemelt sich in einen Anzug. Später wird die nicht gerade spargeldürre Dame sagen: »Noch nie in meinem Leben habe ich mich fünf Kilo schwer gefühlt.« Dafür musste sie aber einen gewissen Bammel überwinden.

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Am nächsten Tag wird wieder gefloatet – in der bitterkalten Ostsee, deren Decke wir aber erst mit der maschinellen Kraft von 10.000 PS durchstoßen müssen. Diese Safari beginnt zunächst wieder mit einer Busfahrt. Doch dann bricht das Eis. Mit an Bord des Polar Explorer gegangen sind auch ... 
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... Tan Yi-Roe, ein TCM-Ärztin aus Singapur, und ihre Mutter. Sie sind schlichtweg begeistert, auch wenn sie pro Person umgerechnet allein für diese Safari mit dem Eisbrecher Polar Explorer 335 Euro überwiesen haben – für den mehrstündigen Bustransfer von Rovaniemi zum Anleger auf schwedischer Seite, ein Mittagessen auf halber Strecke und den dreistündigen Cruise. Finnland ist teuer.

Das Eisbrechen ist das Eine, das Andere aber ist, wenn das 80 Meter lange Schiff, Baujahr 1967 und einst im Behördenauftrag in der Bottnischen See unterwegs, um die Fahrrinnen für Frachtschiffe freizuhalten, sich im Eis festfährt. 

Denn dann ...
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... dürfen die bis zu 150 Passagiere die Landungsbrücke hinab bis auf die gefrorene See – was für Begeisterungsstürme sorgt. Als hätte ihnen jemand ein Stück Kindheit zurück gegeben, rennen auch die Erwachsenen auf der kalten Kruste hin und her, jauchzen, ziehen ihre Kinder in Plastikschalen im Kreis.

Sie könnten in einem Stundenmarsch auch bis ans kaum auszumachende Ufer wandern. Währenddessen macht ein Crewmitglied mit dem Schneeschieber einen Pfad zum Becken hinter dem Schiff frei.
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Wieder werden Überlebensanzüge angestreift, und die ersten Badegäste wanken mit unsicherem Schritt die Schiffswand entlang zum Heck, wo Kapitän Kenneth Hermansson mit den Schiffsschrauben ein Eisloch von den Ausmaßen eines großen Pools freigesprudelt hat. »Das Wasser hat vielleicht ein Grad«, sagt ein Crewmitglied.
 
Auch Kinder ab einem Alter von sieben Jahren oder einer Körpergröße von 1,25 Metern dürfen polarmäßig planschen. Wer aber auf die Frage »Kannst Du schwimmen?« mit »Nein« antwortet, muss an eine Hundeleine.

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Auch ich wage die Erfrischung. Als ich über die Eiskante ins Wasser gleite, zieht sich der Anzug fest um den Körper. Der Himmel ist diesig. Ich denke schon wieder, so muss das Nichts aussehen.  

Nach einer halben Stunde packt mich ein Crewmitglieder von hinten am Neopren und fischt mich wie eine Wasserleiche aus der Ostsee. Allein würde man niemals über die rutschige Kante nach oben kommen.

In so fern darf man zu Recht von Arctic Survival sprechen, wie mein Reiseprogramm überschrieben war. Nur: Die Winter sind in Lappland auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Statt 400 Kilometer friert der Bottnische Meerbusen von seinen nördlichsten Ufern in Richtung Süden aufgrund des Klimawandels nur noch 150 Kilometer weit zu. Ein Aspekt, der im schnee- und eissicheren Lappland nachdenklich stimmt.

Zurück in Rovaniemi ...
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... werden auch die Motorschlitten hinter dem ältesten Hotel der Stadt, dem Cumulus Resort Pohjanhovi, und vor dem Wahrzeichen der Stadt, der Holzfällerkerzenbrücke, wieder eingeparkt. Es erinnert an die vor-touristischen Zeiten der Stadt, als auf dem Fluss Kemijoki noch keine Motorschlitten fuhren, sondern Holz geflößt wurde. Und alles noch viel, viel einsamer war.

Es heißt Abschied nehmen. Kaum zu glauben, dass diese Safari-Welt Rovaniemis in nur gut zweieinhalb Flugstunden Entfernung von Berlin existiert.
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